Kaffee weckt Kauflust
Ein verheerender Waldbrand wütet und rollt von der Küste ins Inland eines weit von meinem Frühstückstisch entfernten Landes. Ich betrachte ein paar Fotos online und lese, dass das Flammenmeer nun die ersten Häuser eines nahe gelegenen Dorfes bedroht. Mir wird ein bisschen mulmig, wenn ich mir das vorstelle. Aber ich lese weiter, meine Neugier ist groß. Stop! Wir unterbrechen für eine kurze Werbung. Das Versicherungsunternehmen bietet mir die rundum-sorglos Absicherung für unser Eigenheim zu einem erstaunlich günstigen Preis.
So einfach funktioniert Werbung. Sie spricht uns Leser der brandheißen News an und bohrt sich in unsere Gefühlswelt, weckt Begehrlichkeiten, getreu dem alten AIDA Prinzip: Aufmerksamkeit erregen, Interesse wecken, Begehren erzeugen, zur Aktion verführen. Nur: Erlebt denn wirklich jeder Mensch dasselbe Gefühl, wenn er sich den Waldbrand, Hitze und Feuer und drohende Zerstörung, vorstellt?
Der Autohersteller Mini hat für die Einführung seines Modelles „Countryman“ in der online Werbung auf drei unterschiedliche Botschaften gesetzt. Drei verschiedene Bilderwelten, die innerhalb der Zielgruppe „interessiert am Autokauf“ drei unterschiedliche Typen von Menschen ansprechen sollten. Ein Bewegtbildschnipsel auf Instagram zeigte dabei lediglich einen Strahl heissen Kaffees, ein Auto gab es auf dem Filmchen nicht zu sehen. Der Schnipsel ging fast schon ein bisschen viral.
Eine Zielgruppe – unterschiedliche Ansprache
Hinter dieser Strategie steckt psychografisches Targeting. Einfach gesagt ist das die Kunst, unterschiedliche Gefühlswelten der potenziellen Zielgruppe zu erkennen und individuell anzusprechen. Prof. Dr. Joost van Treeck, Dekan für Wirtschaftspsychologie an der Hochschule Fresenius in Hamburg, hat für die Kampagne von Mini die Kunden in drei Gruppen eingeteilt. Die Lebenseinstellungen der Menschen beispielsweise in „emotional und spontan“, „ruhig und rational“ und „dynamisch, gesellig“ unterschieden. Diese drei Personas nennen wir der Einfachheit halber einmal „Olaf“, „Svenja“, sowie „Bernd und Inge“. Svenja repräsentiert eher das ruhige und rationale Gemüt und findet deshalb den Kaffee aus der einfachen grauen Kanne ansprechend. Der spontane Olaf hätte auf dieses Bild vermutlich nicht mit demselben Interesse reagiert. Er braucht eher den Mini, der den Berg hinauf ins Abenteuer fährt.
Damit die Svenjas vor ihren Bildschirmen den Kaffee angezeigt bekommen und nicht die Werbebotschaft für Olaf oder Bernd und Inge, muss man nur noch herausfinden, ob die individuelle Nutzerin in das Profil für Svenja hineinpasst. Und dies wiederum geschieht dank einer eingehenden Analyse von Nutzerdaten. Genauer gesagt kann das Bewegungsprofil eines Internet-Nutzers protokolliert werden. Wer klickt auf was? Wer bewegt sich wie im Netz. Derartige Daten lassen sich, vollkommen konform mit Datenschutzbestimmungen, problemlos auslesen und interpretieren. Und diese Profile geben Aufschluss auf Persönlichkeiten. Die alte Methode, eine Zielgruppe rein durch soziodemografische Strukturdaten zu definieren, ist heutzutage schlicht nicht mehr exakt genug. und kann durch psychografisches Targeting wesentlich verfeinert werden.
Der Individualität Rechnung tragen
In Zukunft wird mir während meiner Frühstückslektüre und den Bildern eines Waldbrandes also nicht mehr das Angebot der Versicherungsgesellschaft angezeigt. Stattdessen erscheint vielleicht ein Sonderangebot für meinen nächsten Abenteuerurlaub. Lese ich die News am Nachmittag, erhalte ich passender Weise zur Hitze der Flammen die Bilder eines kühlen Drinks mit vielen Eiswürfeln. Denn dank meines individuellen Bewegungsprofils stecke ich wohl in der Schublade des Genussmenschen, der keine Angst vor Feuer und Flamme hat.
Kann Marketing durch psychografisches Targeting noch besser funktionieren? Zumindest wird es der wachsenden Individualität innerhalb von Zielgruppen auf moderne Weise gerecht. Der Autohersteller jedenfalls hat mit der Methode laut Professor van Treeck etwa viermal mehr Interessenten generiert als mit einer herkömmlichen Strategie zuvor.
Es bleibt spannend und wir von Schaller Digital bleiben am Ball.
(Foto: Juraj Varga/Pixabay)